Von Friedhart Knolle (Goslar), 1988
Seit dem 1. Januar 1987 gilt in der Bundesrepublik Deutschland ein novelliertes Bundesnaturschutzgesetz. Etwas mehr als ein Jahr nach Inkrafttreten der Novelle sollen hier einige wichtige Aspekte dieses und der Vorläufergesetze, die auch den Karst (Höhlenschutz, Karstlandschaftsschutz) betreffen, dargestellt werden.
1. Objekt- und Flächenschutz
1.1 Das Reichsnaturschutzgesetz vom 26. Juni 1935
Nach § 11 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zum Reichsnaturschutzgesetz bestand die Pflicht, bei Auffindung bisher unbekannter Naturdenkmale, z. B. größerer Findlinge, Höhlen u. a., diesen Fund der Naturschutzbehörde unverzüglich zu melden. Diese Meldepflicht sollte dazu beitragen, Arbeiten, bei denen Höhlen freigelegt werden, so lange unterbrechen zu können, bis die Höhle erforscht und gegebenenfalls gesichert war.
Jener für den Höhlenschutz wichtige und weitsichtige Passus entstammte in dieser Form, d. h. mit der ausdrücklichen Erwähnung der Höhlen, wohl der Feder von Dr. Benno Wolf, von dem bekannt ist, daß er einer der geistigen Vater des Reichsnaturschutzgesetzes war.
Das Reichsnaturschutzgesetz führte die Schutzkategorien „Naturdenkmal“ (für schutzwürdige Einzelobjekte; § 3) und „Naturschutzgebiet“ (für schutzwürdige Flächen; § 4) ein. Hierdurch konnten Höhlen und andere Karsterscheinungen bzw. ganze Gebiete, in denen solche Karsterscheinungen vorkommen, dem Schutze dieses Gesetzes unterstellt werden.
Vom Instrument des „Naturdenkmals“ ist von den deutschen Naturschutzbehörden in der Folge ein recht ausgiebiger Gebrauch gemacht worden; dieses objektbezogene Denken führte im wesentlichen zu vielen Tausenden von geschützten Einzelbäumen. Demgegenüber geriet der Flächenschutz relativ in den Hintergrund.
1.2 Das Bundesnaturschutzgesetz
Das am 24. Dezember 1976 in Kraft getretene Bundesnaturschutzgesetz ersetzte das bis zu diesem Zeitpunkt (seit 1945 als Länderrecht) geltende Reichsnaturschutzgesetz. Es übernahm die oben angeführten Instrumente (Naturdenkmal, Naturschutzgebiet) und fügte ihm weitere hinzu. Es war im Gesetzeswerk jedoch nicht mehr ausdrücklich von Höhlen die Rede. Diese Tatsache ist aus der Sicht des Karst-und Höhlenschutzes sehr bedauerlich. Es hätte entsprechender Lobbyarbeit beim Bundesgesetzgeber bedurft, um diese Erwähnung in das neue Gesetz zu übernehmen.
Zur Zeit ist das Bundesnaturschutzgesetz in seiner 1986 novellierten Form gültig (in Kraft getreten am 1. Januar 1987). Es definiert die für den Karstschutz als Teil des allgemeinen Naturschutzes wichtigen Instrumente „Naturschutzgebiet“, „Naturdenkmal“, „Geschützter Landschaftsbestandteil“ und den 1986/87 neu hinzugekommenen „Biotopschutz“ so:
Vierter Abschnitt. Schutz, Pflege und Entwicklung bestimmnter Teile von Natur und Landschaft
§12. Allgemeine Vorschriften. (1) Teile von Natur und Landschaft können zum
- Naturschutzgebiet, Nationalpark, Landschaftsschutzgebiet, Naturpark oder
- Naturdenkmal oder geschützten Landschattsbestandteil erklärt werden.
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§ 13. Naturschutzgebiete. (1) Naturschutzgebiete sind rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen
- zur Erhaltung von Lebensgemeinschaften oder Biotopen bestimmter wildlebender Tier- und Pflanzenarten,
- aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen oder
- wegen ihrer Seltenheit, besonderer Eigenart oder hervorragenden Schönheit erforderlich ist.
(2) Alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebietes oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten. Soweit es der Schutzzweck erlaubt, können Naturschutzgebiete der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.
§17. Naturdenkmale. (1) Naturdenkmale sind rechtsverbindlich festgesetzte Einzelschöpfungen der Natur, deren besonderer Schutz
- aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen oder
- wegen ihrer Seltenheit, Eigenart oder Schönheit
erforderlich ist. Die Festsetzung kann auch die für den Schutz des Naturdenkmals notwendige Umgebung einbeziehen.
(2) Die Beseitigung des Naturdenkmals sowie alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung, Veränderung oder nachhaltigen Störung des Naturdenkmals oder seiner geschützten Umgebung führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten.
§18. Geschützte Landschaftsbestandteile. (1) Geschützte Landschaftsbestandteile sind rechtsverbindlich festgesetzte Teile von Natur und Landschaft, deren besonderer Schutz
- zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts,
- zur Belebung, Gliederung oder Pflege des Orts- und Landschaftsbildes oder
- zur Abwehr schädlicher Einwirkungen
erforderlich ist. Der Schutz kann sich in bestimmten Gebieten auf den gesamten Bestand an Bäumen, Hecken oder anderen Landschaftsbestandteilen erstrecken.
(2) Die Beseitigung des geschützten Landschaftsbestandteils sowie alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des geschützten Landschaftsbestandteils führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten.
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Fünfter Abschnitt. Schutz und Pflege wild lebender Tier- und Pflanzenarten
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§ 20c. Schutz, bestimmter Biotope. (1) Maßnahmen, die zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung folgender Biotope führen können, sind unzulässig:
- Moore, Sümpfe, Röhrichte, seggen- und binsenreiche Naßwiesen, Quellbereiche, naturnahe und unverbaute Bach- und Flußabschnitte, Verlandungsbereiche stehender Gewässer,
- offene Binnendünen, offene natürliche Block- und Geröllhalden, Zwergstrauch- und Wacholderheiden, Borstgrasrasen, Trockenrasen, Wälder und Gebüsche trockenwarmer Standorte,
- Bruch-, Sumpf- und Auwälder,
- Fels- und Steilküsten, Strandwalle sowie Dünen, Salzwiesen und Wattflächen im Küstenbereich,
- offene Felsbildungen, alpine Rasen sowie Schneetälchen und Krummholzgebüsche im alpinen Bereich.
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Leider bedeutet die neue, vielgelobte und vielkritisierte Biotopschutzregelung kein sofortiges Flächenveränderungsverbot für die betroffenen Biotope, da sie als nur mittelbar geltende Vorschrift der Umsetzung in Landesrecht bedarf (EMONDS 1987). Sonst gäbe es jetzt bereits einen ausreichenden Schutz vieler Karstgebiete, denn die im Biotopschutzparagraphen genannten Kategorien legen auch auf viele unserer Karstareale quasi ein Netz zu schützender, karsttypischer Biotope. Damit wären z. B. der Rohstoffabbau, die touristische Erschließung oder andere Flächenveränderungen in diesen Gebieten nur noch sehr erschwert möglich.
Abschließend sei wenigstens erwähnt, daß die „Nutzung“ insbesondere der Instrumente „Naturdenkmal“ und „Naturschutzgebiet“ immer mit einer wesentlich verstärkten Publizität um diese Karsterscheinungen bzw. -flächen verbunden ist. Sind also eine Höhle oder ein Karstgebiet nicht direkt in ihrer Substanz (durch Rohstoffabbau o. ä.) gefährdet, kann es sich, wie die Erfahrung zeigt, oft auch als richtig erweisen, kein Schutzverfahren einzuleiten. Die Entscheidung hierüber ist nur im Einzelfall und unter Berücksichtigung der speziellen regionalen Umstände möglich.
2. Artenschutz
Auch das Reichsnaturschutzgesetz kannte bereits den „Artenschutz“, d. h. die spezielle Unterschutzstellung bestimmter gefährdeter Tierarten. Das novellierte Bundesnaturschutzgesetz besagt in § 201:
§ 20f. Schutzvorschrifien für besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten. (1) Es ist verboten,
- wildlebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungsformen, Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtsstätten der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
. . . - wildlebende Tiere der vom Aussterben bedrohten Arten an ihren Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtsstätten durch Aufsuchen, Fotografieren, Filmen oder ähnliche Handlungen zu stören.
Insbesondere die Ziffer 3 betrifft die Fledermäuse in den Höhlen und einen Großteil der Untertageaktivitäten der Höhlenforschung, denn in der Bundesartenschutzverordnung, Anlage 1, in welcher der Begriff „Wildlebende Tiere der vom Aussterben bedrohten Arten“ näher definiert wird, stehen die Fledermäuse ganz obenan! Möglichste Rücksichtnahme auf diese Tatsache ist also für alle Höhlenforscher angebracht. Positiv erwähnt seien hier diejenigen Vereine und Einzelforscher, die sich bereits einen Befahrungsverzicht während der Winterzeit auferlegt haben.
Daß solche Befahrungseinschränkungen im Winter sinnvoll sind, beweisen z. B. die Untersuchungen von NAGEL et al. (1987) für Süddeutschland oder VOUTE & LINA (1986) für Holland.
Erwähnte Veröffentlichungen
Blab, J. (1980): Grundlagen für ein Fledermaus-Hilfsprogramm. - Themen der Zeit, Nr. 5,
44 S., Kilda-Verlag (Greven).
Blab, J. (1984): Kap. „Felshöhlen und -stollen (echte Höhlen)“. - In: BLAB, J.: Grundlagen des Biotopschutzes für Tiere. 205 S., Kilda-Verlag (Greven).
Emonds, E. (1987): Die Kernpunkte der Artenschutznovelle. - Natur und Landschaft, 62
(3): 91-94.
Jüdes, U. (1986): Zur Problematik eines Artenhilfsprogramms „Fledermäuse“. - Natur und Landschaft,61 (6): 215-219.
Nagel, A., Frank, H., Nagel, R. und Baumeister, M. (1987): Vorkommen und Bestandsentwicklung winterschlafender Fledermäuse auf der Schwäbischen Alb mit Berücksichtigung der Auswirkung von Schutzmaßnahmen. - Laichinger Höhlenfreund, 22
(1): 45-58.
Umwelt-Recht. - dtv-Band 5533, Beck-Texte, 4. Auflage, 581 S., München 1987.
Vladi, F. (1984): Schutz und Pflege von Höhlen, Erdfällen und anderen Karsterscheinungen nach dem Niedersächsischen Naturschutzgesetz. - Mitteilungen des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher, 30 (4): 74-77.
Voûtc, A. M. und Lina, P. H. C. (1986): Management Effects on Bat Hibernacula in The Netherlands. - Biological Conservation, 38: 163-177.
Erstmals veröffentlicht als
KNOLLE, Friedhart (1988): Der Höhlenschutz in der Bundesrepublik Deutschland im Lichte des novellierten Bundesnaturschutzgesetzes.- Die Höhle 39, H. 1, 1-5, Wien
Quelle
karstwanderweg.de/publika/hoehle/39/1-5/index.htm, Aufgerufen: 01.04.2017