Traumwetter ist angesagt, die Schneelage allerdings, wie so oft dieses Jahr, ist sehr bescheiden. Dafür gibts fast keine Lawinengefahr.
Nach einer Absage in der Woche vor der Tour stehen Freitag früh - aber nicht zu früh - morgens vier schneegierige Gesell*innen an der Schwelle meiner Wohnung. Darunter mit Jana auch mal wieder eine Dame. Leider gab es einen weiteren gesundheitsbedingten, kurzfristigen Ausfall. Also starten wir halt nur zu fünft frohgemut im Sektionsbus gen Süden. Vor Ort sind wir überrascht ob der Schneemengen im Tal. Dieses Mal hat die Webcam keinen falschen Eindruck vermittelt. Wir haben aus der letztjährigen Tour gelernt und starten die Skihochtour mit einem Aufstieg durch den Märchentunnel. Wie letztes Jahr planen wir nämlich am letzten Tag die Überschreitung zur Amberger Hütte, und diese Variante würde uns nicht mehr am Märchentunnel vorbeiführen. Also gehen wir kein Risiko ein und stellen uns direkt der Herausforderung.
Nach diesem ersten märchenhaften Höhepunkt folgt sogleich das alljährliche Überklettern der Leitplanke und der erste Anstieg mit geschulterten Ski auf trockenem Wanderweg. So viel Schnee hat es dann doch auch nicht. Dies bestätigt sich, als wir den ersten großen Aufschwung hinter uns haben. Vorteil des Schneemangels ist, dass wir dieses Mal den Sommerweg als Aufstiegsvariante wählen können (ohne Schnee ist das Lawinenrisiko überschaubar). Nach einer kurzen Stärkung auf der sonnigen Hüttenterrasse satteln wir wieder die Ski und orientieren uns in Richtung Bachfallengletscher. Der Tipp der schwäbisch schwätzenden Bedienung löste bei Andreas und Tim nicht nur tiefe Heimatgefühle aus, sondern bei der gesamten Gruppe den Wunsch, den geschilderten Pulverschnee selbst mit eleganten Schwüngen unter die Ski zu nehmen. Nach fünfzehn Minuten allerdings wird die Sicht auf einen schon zuvor erspähten Pulverschneehang besser, und wir entscheiden uns dem unverspurten, schattigen Pulverhang den Vorzug zu geben. Wir hauen die Bremsen in den Schnee und biegen flugs nach recht ins Putzenkar ab. Bei der Abfahrt vom Aussichtsgrat wird der Schnee schnell besser und nach 50 Metern sogar ganz hervorragend. Der vorher ausgekundschaftete Pulverschneehang enttäuscht nicht und wir verlängern die Abfahrt noch durch einen wieder unverspurten Fastpulverhang. Anschließend führen wir noch unter fachkundiger Leitung von Jana eine im Winter sehr selten durchgeführte Überschreitung der Ernst Riml Spitze zum Hüttenhang durch und gleiten elegant zur Hütte hinunter.
Dieses Jahr dürfen wir wieder im Winterraum nächtigen und Jana knüpft nach und nach Kontakt zu unseren tschechischen Mitbewohner*innen. Nachdem uns der ein oder andere Sonderwunsch beim Abendmenü freudestrahlend erfüllt wurde, beschließen wir am nächsten Tag den höchsten Berg der Umgebung in Angriff zu nehmen. Nach einer ruhigen Nacht brechen wir morgens gut ausgeschlafen, freudestrahlend in Richtung Breiter Grieskogel auf. Den Gipfel erreichen wir nach einem Zickzackkurs durch Steine, genießen den Ausblick und sitzen zufrieden in der Sonne. So angenehme Wetterbedingungen hatten wir noch nie auf diesem schönen Aussichtsgipfel. Unterhalb des Gipfelhanges spicken wir noch schnell in einen nordseitigen Gletscherhang, entscheiden uns dann aber aufgrund der uneindeutigen Schneebedingungen für die direkte Abfahrt zur Winnebachseehütte. Die Suche nach Firnhängen ist nur bedingt erfolgreich. Deshalb beschließt ein Teil der Gruppe noch, einem verlockenden nordseitigen Pulverhang einen Besuch abzustatten ... und wird natürlich nicht enttäuscht. Nach einem Sonnenbad und Nachmittagsschlaf auf der Hüttenterrasse, überlegt sich Andreas noch den ein oder anderen Sonderwunsch. Alle Wünsche werden ihm natürlich freudestrahlend und mit schwäbischem und teils tschechischem Akzent erfüllt und wir fallen zufrieden in den Schlaf. Der Schlaf ist leider für die meisten Teilnehmer*innen der Gruppe aufgrund der schlechten Luftqualität nicht besonders gut. Trotzdem finden wir uns alle früh am Frühstücksbuffet ein und füllen uns die Bäuche für die Königsetappe des Wochenendes. Wie letztes Jahr wollen wir die Überschreitung zur Amberger Hütte in Angriff nehmen. Also folgen wir flink dem Skitourenfortgeschrittenen Alex gen Gletscher.
Über das große Loch im ansonsten spaltenarmen Gletscher staunen wir nicht schlecht, als in uns plötzlich ein warmes, vertrautes Heimatgefühl aufkommt. Wir denken zurück an die freundliche, schwäbisch schwätzende Bedienung und begeben uns schnell in den von ihr empfohlenen Pulverhang. Schwaben bzw. Schwäbinnen lügen nicht …und so lassen wir für 200 Höhenmeter die aufbauend umgewandelten Schneekugeln tanzen. Dieses Jahr kennen wir die Gaislehnscharte schon und steuern zielstrebig auf sie zu. Wir lassen eine Gruppe von oben über den Klettersteig vor und stapfen die Rinne mit Steigeisen hinauf. Dieses Jahr ist die Schneequalität eine andere als das letzte Mal, ohne Steigeisen wären wir aufgeschmissen. Oben angekommen erwartet uns die Sonne und ganz wenig Schnee. Also halten wir die Pulverschneespürnasen in die warme Luft und traversieren ganz nach hinten in den Schatten. Wir werden fündig und haben wieder einen schönen, unberührten Pulverhang zum "mit unseren Spuren Verzieren" vor uns. Nach einer sonnigen Pause verziert der österreichische Alex den nächsten Nordhang mit einer formschönen Aufstiegsspur und die ganze Gruppe vollendet das Werk mit unzähligen Abfahrtsschwüngen. Nun gilt es, den Einstieg in die Rinne zur Amberger Hütte erfolgreich zu meistern. Uns schwant Böses: Der Führer der zuvor getroffenen Gruppe warnte uns vor 400 Hm zu Fuss und die Abfahrt zum Einstieg ist aufgrund des Schneemangels ein wahres Steinlabyrinth.
Vor Ort entdecken wir …. eine Baustelle …. Die Steinwand, die wir letztes Jahr abseilten, ist weggesprengt. Dafür gibt es einen Holzsteg, der an dem Baukran vorbei direkt in die Rinne führt. Leider ist der folgende Abstieg aufgrund des Schneemangels etwas heikel. Mit erhöhtem Puls schleichen und robben wir uns vorsichtig am Bach entlang und über den Bach hinweg. Die Schneebrücken halten und wir schwingen uns mehr oder weniger elegant in die mit griffigem Schnee gefüllte Rinne. Anders als erwartet hat die Rinne über die gesamte Länge eine ausreichende Schneeauflage. Allerdings in nicht optimaler Qualität, so dass wir mehr oder weniger die gesamte Rinne notgedrungen seitwärts abrutschen. Nachdem alle Teilnehmer*innen die neue Skitourentechnik "Brückenkehre" beherrschen, kehren wir auf der Amberger Hütte ein und lassen uns selbstverständlich auf einen Abschlussschnaps einladen, den wir dann auf der folgenden Abfahrt zum Bus wieder erfolgreich verbrennen.
Den Märchentunnel hatten wir ja bereits am ersten Tag erfolgreich bezwungen, sodass wir uns müde, aber zufrieden im Bus auf die Heimfahrt machen.
Und wer wissen will, was die Zahnbürste der einzigen Teilnehmerin am Ende der Tour an Tims Skistock zu suchen hatte oder wie man beim Skitourengehen seine Armmuskulatur effektiv trainieren kann, muss einfach nächstes Jahr selber mitkommen.