„Und das Beste kommt zum Schluss ...“ Nicht so beim Kurs der Sektion DON „Einführung ins Bergsteigen 2022“, denn kaum waren wir aus dem Wanderbus gestiegen und 10 Minuten auf dem Schotterweg in Richtung Heinrich-Hüter-Hütte (1760m, Rätikon, am Fuß der Zimba) unterwegs, öffnete der Himmel seine Schleusen und ein heftiges Gewitter entlud sich über uns.
Schnell suchten wir einen geeigneten Platz, warfen die Regenjacken über und hielten uns die Biwaksäcke zum Schutz über die Köpfe. Und schon waren wir mitten drin in der Wetterkunde: Gisela, unsere Wetterexpertin, erklärte den Unterschied zwischen einem Frontgewitter und einem Wärmegewitter und erläuterte, wie man die Entfernung des Gewitters berechnen kann.
Nach diesem fulminanten Start machten wir – Bea, Karin, Florian, Hubert und Volker – uns mit unseren Tourenleitern Gisela Kirchner, Martin Dirr und Manne Schurr, weiter auf den Weg Richtung Hütte, um mit dem eigentlich für diesen Tag angesetzten Programm zu starten, dem Gehen in weglosem Gelände. Dazu querten wir ein Geröllfeld und in dessen Ausläufern zeigte uns Manne, wie man sich sicher fortbewegt, wenn z. B. ein Unwetter den Weg weggeschwemmt hat. Mit den Stöcken als Stütze und kleinen, mit dem Schuh in den Hang „gesichelten“ Trittflächen bewegten wir uns sicher am abgerutschten Hang fort. Die selbe Technik wenden wir auch an, wenn wir über ein Firnfeld gehen.
Dabei lernten wir, dass man in einer derartigen Situation immer hintereinander, jeweils im Fußabdruck des Vordermannes geht, insbesondere auch, um die Vegetation in Geröll nicht achtlos zu beschädigen. Das Tolle an diesem Training war, dass wir uns in der Führungsarbeit beim Begehen eines weglosen, steilen Grashanges abwechseln durften. Die kritischen, aber stets wohlwollenden und vor allem lehrenden Augen unserer Leiter begleiteten uns dabei „auf Schritt und Tritt“ und so lernten wir nicht nur was es heißt, die Verantwortung für eine Gruppe zu tragen, sondern auch, wie man die Wegfindung ans jeweilige Gelände anpasst.
Navi kann jeder ...
Was ist ein Gletschertisch? Und wie entsteht Anraum? Martin blickt in fragende Gesichter und hat auch schon die Auflösung parat. Sichtlich konzentriert lauschen wir den Ausführungen beim Theorieteil Orientierungskunde und erfahren darüber hinaus noch viel mehr über Geländedarstellungen auf Karten, den Umgang mit dem Kompass und der Berechnung von Gehzeiten. Orientierung per GPS? Gerne, aber wenn man bedenkt, dass zwischen den hohen Gipfeln mangels eines Signals eine elektronische Orientierung nicht unbedingt sichergestellt ist, gibt es doch ein gutes Gefühl, wenn man gelernt hat, mit den manuellen Hilfsmitteln umzugehen.
Der nächste Morgen begrüßte uns mit einem köstlichen Frühstück und herrlichem Sonnenschein. Bei leichtem Wind und idealen Wandertemperaturen checkten wir unsere Ausrüstung, die - so hatten wir im Theorieteil Tourenplanung gelernt - mindestens genauso wichtig ist, als die Brotzeit und ausreichend zu Trinken. Das erste Ziel des heutigen Tages war das große Schneefeld, kurz unterhalb des Klettersteigs am Saulakopf (2517m). Nachdem wir uns davon überzeugt hatten, dass keine Kletterer direkt über uns agierten, konnten wir mit den Übungen im Firnfeld loslegen. Die Querung von Schnee (Firnflächen) im Juni ist mit Snowlines doch viel einfacher, als nur mit Stöcken. Aber was mache ich, wenn ich ins Rutschen komme? Keine Bange, nach vielen Sturz- und Rutschübungen und noch mehr Spaß fühlen wir uns jetzt auch in diesem Gelände sicherer.
Gipsberg oder Gipsköpfle?
Zurück auf der Hütte lüftete Martin das Geheimnis einer großen Schachtel, die er beim Aufstieg mit geschleppt hatte. Darin befanden sich lauter verschiedene kleine Berge aus Gips, jeder mit einer anderen Darstellung von Bergprofilen. Unsere Aufgabe war es nun, die Höhenlinien einzuzeichnen und anschließend auf ein Blatt Papier zu übertragen, um ein besseres Gespür für Karten und Geländeoberflächen zu erhalten. Und wer weiß, vielleicht haben uns genau diese Gipsberge dazu inspiriert, die für den kommenden Tag zu planende Tour in Richtung Gipsköpfle (1975m) auszurichten? Es ist nämlich viel einfacher, einer vom Wanderleiter geplanten und gut vorbereiteten Tour zu folgen, als eine entsprechende Route selber zu planen. Und genau das war jetzt unsere Aufgabe: Wir sollten die Abstiegsroute für den nächsten Kurstag festlegen.
Eine gute Planung ist die Grundlage jeder Bergtour und so rechneten wir Höhenmeter und Gehzeiten lieber dreimal durch, kontrollierten die Wetterprognosen anhand des Luftdrucks und berücksichtigten, dass einer von uns vielleicht eine ausgesetzte Passage lieber doch nicht gehen möchte.
Am nächsten Tag überließen uns Gisela, Martin und Manne dann die Führung und weil sie mit Lob nicht sparten, hatten wir offensichtlich an alles gedacht.
Doch dann, beim Abstieg, passierte es – Martin rutschte aus, fiel unglücklich auf die linke Schulter und wurde dann kurz darauf ohnmächtig. Jetzt kam es darauf an, alles abzurufen, was wir tags zuvor im Erste-Hilfe-Kurs gelernt hatten: Kühlen Kopf behalten, Patient sichern, Unfallstelle sichern, verletzte Schulter richtig versorgen, Patient in stabile Seitenlage bringen und den Notarzt rufen.
Ja, tatsächlich, wir hatten in jeder Hinsicht hervorragende Lehrer, denn das Rätsel löste sich schnell, es war ein vorgetäuschter Sturz und wir hatten auch jetzt alles richtig gemacht. Danke Gisela, Martin und Manne, dass wir uns immer wieder ausprobieren durften, dass ihr alle unsere Fragen beantwortet habt und dass ihr uns das Gefühl gegeben habt, in Zukunft beim Wandern in den Bergen gut vorbereitet zu sein.