Der Hochvogel macht den Abflug

REUTTE: Der Hochvogel macht den Abflug

Felssturzgefahr: Die Landesgeologie hat den Weg von Hinterhornbach zum markantesten Gipfel der Allgäuer Alpen gesperrt. Die Spalten sind 100 Meter tief. Touristische Auswirkungen werden erwartet.
 

Von Helmut Mittermayr

Hinterhornbach – Nun ist es amtlich. Der Bäumenheimer Weg von Hinterhornbach zum Hochvogel ist gesperrt – und sollten die Geologen in ihrer Einschätzung richtig­liegen, wird der Weg bald nicht mehr zu sehen sein. Er wird unter Felsmassen verschüttet liegen. Mehrere Spalten haben sich schon vor Längerem am Berg geöffnet, in den letzten Monaten aber riesige Ausmaße angenommen (die TT berichtete). Nun haben die Landesgeologen Gunther Heißel und Thomas Figl den markanten Berg mit einem Hubschrauber abgeflogen. Allein der erste Anblick reichte, um eine sofortige Schließung des Weges zu empfehlen. Der Hinterhornbacher Bürgermeister Martin Kärle hat dies daraufhin sofort angeordnet.

Gunther Heißel: „Beim Flug hat sich uns ein erdrückendes Bild geboten. Der Gipfel ist von großen Rissen durchzogen. Die markanteste Spalte östlich des Gipfelkreuzes ist meterweit offen und geschätzt bis zu 100 Meter tief. Der Fels hat sich in diesem Bereich auch schon mehrere Meter abgesenkt.“ Die Spalte ziehe sich über das ganze Massiv von Süd nach Nord durch. Weitere Risse und Spalten seien an den Felswänden des ganzen Berges erkennbar. „Die Wand wird scheibchenweise abstürzen. Wobei diese Scheibchen riesig sein werden“, klärt Heißel auf. Da der Bäumenheimer Weg sowohl die Geröllfelder unterhalb als auch die Wand selbst quert, habe er sofort gesperrt werden müssen.

Der Landesgeologe lobt in diesem Zusammenhang den Wegerhalter DAV Donauwörth. Die Sektion habe schon länger mit Schildern gewarnt und das nunmehrige „Aus“ auf ihrer Homepage innerhalb von Stunden bekannt gemacht. Das sei vorbildlich. Heißel habe so ein Verhalten bei ähnlichen Fragestellungen bisher noch nicht erlebt.

„Die Perspektiven, die wir sehen, sind allesamt nicht schön“, heißt es von Seiten der Landesgeologie. Der Mensch könne hier nicht eingreifen (etwa mit Sprengungen – Anm. d. Red.). Denn Hunderttausende Kubikmeter Fels seien betroffen. Große Teile der Wand würden in absehbarer Zeit zusammenbrechen und abstürzen. Die Eintrittswahrscheinlichkeit der Vorhersage sei enorm hoch, die Gefahren für die täglich bis zu 300 Bergsteiger auch. Die Problematik werde sich über Jahre ziehen und eher noch zunehmen. So stellt Heiße­l auch in den Raum, dass der stark begangene Steig im Nordwesten des Berges vom Prinz-Luitpold-Haus aus dem Allgäu kommend ebenso gesperrt werden könnte. „Noch geht es auf dieser Bergseite gerade so. Aber die Situation muss nächstes Jahr neu beurteilt werden.“

Heißel warnt die Bergsteiger auch zu größter Vorsicht im noch nicht gesperrten Gipfelbereich: „Die Dimension des Risses beim Gipfelkreuz ist unglaublich. Um die zwei Meter breite Spalte zu überwinden, wird eine Art Materialbrücke, ähnlich einer Schneebrücke, verwendet. Sie kann jederzeit mit Menschen darauf in die Spalte stürzen.“

Größere Abstürze am Hochvogel ereigneten sich in den Jahren 2005 und 2007. 1934/35 sind sogar Felsstürz­e in den Annalen vermerkt. Hinterhornbach wäre von einem weiteren Großereignis nicht direkt betroffen, der Tourismus in der Gemeinde sehr wohl. Vor allem dann, wenn die Zugänge zum Hochvogel von Nord wie Süd gesperrt werden sollten.

BM Kärle: „Zurzeit kann beim Aufstieg von Hinterhornbacher Seite ja noch über Fuchssattel und Kalten Winkel ausgewichen werden. Was die durchschnittliche Gehzeit allerdings von viereinhalb auf sechs Stunden verlängert.“ Die heurige Saison sei fast gelaufen. Im kommenden Jahr müsse man schauen, ob eine Lösung zu finden sei. Der Hochvogel bringe Hinterhornbach jede Menge Einkehrer und Übernachtungen.

Quelle

Printausgabe der Tiroler Tageszeitung vom Mi, 01.10.2014 - Link zum Bericht in der Tiroler Tageszeitung