Alpine Tourentage für Senioren
Mit alten Hasen unterwegs
Die Unternehmung war als Ausbildungstour ausgeschrieben. - Am Ende war jeder ein kleines bisschen klüger.
Wer kann, meidet das Wochenende. Wir starteten an einem Dienstag und waren, wo Samstag/Sonntag Karawanen durchziehen, in einsamer Hochgebirgslandschaft unterwegs.
Der Vordere Wilde Turm ist zwar kein sehr selbständiger Gipfel, gilt aber als perfekte Hochtour im Revier der Franz-Senn-Hütte. Mit Aufstieg über den Turmferner und Abstieg über die Turmscharte zum Verborgenen-Berg-Ferner ergibt sich selbst im Zeichen des Klimawandels eine immer noch spannende, alpine Runde - genau richtig für Hochtouren-Einsteiger, die sich in diesem Metier weiterentwickeln möchten.
In Zeiten den Gletscherschwundes geht es den Stubaier Fernern drastisch an die Substanz. Viel Eis ist nicht mehr übrig.
Anfang Juli gab es in den Hochlagen noch viel Schnee, mehr als in den Jahren zuvor. Manchmal war unklar, was sich unter der Schneeauflage verbarg. Also hieß es irgendwann: Anseilen !
Wie tief kann ich sinken… ?
Die sommerlichen Temperaturen und der Regen der Vortage hatten der Schneedecke zugesetzt. Im Nahbereich der Felsen lag reichlich Faulschnee. - Glücklich der Mensch, der sagen kann: »Ich arbeite gern«
Meist trug der Schnee ganz gut. Im Trittfirn ging es über die Reste des Turmferners. Klar, die üblichen für Gletscher geltenden Vorsichtsmaßnahmen sind immer noch zu beachten, aber Steigeisen und Eisschrauben waren auf jeden Fall entbehrlich.
Das Finale ist eine luftige Kraxelpassage am Gipfelaufbau. Der Fels ist kompakt. Ein Drahtseil schont Nerven. Zusätzlich sind solide Bohrhaken vorhanden, eine Exe mehr schadet hier nicht. Am laufenden Bergseil ging es zum Kreuz, von wo der Seilerste die Folgenden nachgesicherte.
Nomen est omen
Der Wilde Turm bricht allseits jäh ab. Auf der schrägen Platte ist der Platz recht begrenzt.
Wir blieben nicht lange. Zwar saß die Frisur, aber das labile Wetter kippte mit Ansage.
Die eingerichtete Abseilpiste ermöglicht einen smarten Abgang. Bis zum Bergschrund ist es nur eine halbe Seillänge. - Damit der rote Faden nicht verloren geht, braucht es neben klaren Ansagen gute Seiltechnik, denn die Fehlertoleranz ist bei solchen Manövern minimal. Dennoch, das Ablassen war einer der besonderen Kicks dieser Tour.
Anschließend quert man in wenigen Minuten wieder als Gletscherseilschaft zur Turmscharte. Der Abstieg zum Verborgenen-Berg-Ferner ist als Klettersteig versichert. Helm auf, in der Route lagern genug mobile Steine. Jeder sichert sich selbst.
Mit Erreichen des Bergschrundes, der sich als klaffende Spaltenzone darstellte, fiel Nebel ein. Der Wetterbericht passte. Also erneut anseilen und runter. Eine Spur von Vorgängern war nicht erkennbar. Wir fanden unseren Weg und erreichten problemlos das apere Gletschervorfeld, in dem bald erste Steinmänner auftauchten.
Beim Ausseilen krachte ein krasser Blitz in die Felsarena; der harte Donnerschlag folgte unmittelbar. Wieder so ein Augenblick für immer, den mancher mitnahm. Sofort setzte Graupel ein, in Kürze war die Szenerie weiß garniert. Mit Regenjacke und -hose hielten wir gegen. Im Rückweg blieb es regnerisch. Überall rann Wasser. Der Trockenraum der Franz-Senn-Hütte war an diesem Abend unbezahlbar.
Der Tag danach …
Der Wetterbericht prophezeite weiterhin sehr labiles Bergwetter. Quasi als Halbtagestour bot sich die Rinnenspitze an.
Es führt ein markierter Steig zum Gipfel, der am oberen Gipfelaufbau sogar teilweise versichert ist. Der blockige Ostgrat ist gewürzt mit kurzweiligen Kraxelstellen, die Spaß machten. Dennoch, bei wirklich schlechtem Wetter sollten »Normalos« nicht dort oben sein. Der Fels kann bei Nässe schnell ungenießbar werden. Also galt: Früher Aufbruch, um zu Mittag wieder unter dem Dach der Hütte zu sein. Das Rezept ging für uns auf.
Schema F?
Nicht bei uns. Besonderen Erlebniswert zu schaffen, ist uns alten Hasen wichtig. Es geht halt weniger um Schneller, Höher, Weiter. Es sind primär die Feinheiten, der Sicherheitsaspekt, die Gestaltung und die Details.